"Okay gut.", sagte ich und nickte kurze, während ich ihn beobachtete. Was hatte er nur? Warum war er so nervös? Ich verstand es nicht. War ich es die ihn so nervös machte? Ich hatte bisher nie solche Wirkung auf Jungs gehabt.. erst recht nicht auf solche wie ihn. Ich folgte dann seinem Blick, als er sich umsah und sah dann auch zu dem Bild. "Euhm ja.. ich weiß das Foto ist ein bisschen peinlich.. aber mein Dad liebt das Bild.", erklärte ich und wünschte mir in dem Moment es nie aufgestellt zu haben. Aber wer konnte schon ahnen, dass ich mal Besuch bekommen würde?

Fest biss ich mir auf die auf die Unterlippe und sah sie genauer an. Das konnte doch wirklich nicht wahr sein. SIE ! SIE war das Mädchen, welches ich vor Jahren das Leben gerettet hatte. Die ich von dem entgegenkommenden Fahrzeug weggeschubst hatte und für die ich gestorben war. Wooow ich hätte nie gedacht, dass ich sie jemals wiedersehen würde. Wer hätte das für möglich gehalten. Frag sie ! Komm schon ! "Melinda.. Ähm....", nervös kratzte ich mir den Nacken, kam dann auf einmal auf sie zu und nahm ihr Gesicht in die Hände und betrachtete ihr Gesicht. Es gab keinen Zweifel. Sie war es tatsächlich. Wie könnte ich nur jemals diese Augen vergessen. Offensichtlich erinnerte sie sich nicht mehr an mich. Vorsichtig hauchte ich dann auf ihre Lippen ohne sie los zu lassen :"Du erinnerst dich nicht an mich oder ?"

Ich sah fragend zu ihm auf. Was hatte er auf einmal. So schlecht war das Bild nun auch nicht. Ich wurde aus ihm einfach nicht schlau. "Ehm ja?", fragte ich dann, als er etwas vor sich hinstammelte. Irgendwie war es ja süß, dass er so nervös war.. Als er dann mein Gesicht in seine Hände nahm, spürrte ich wie mein Herzschlag automatisch ein wenig schneller ging. Was hatte er vor..? Ich sah ihn verwirrt an und bewegte mich nicht. Ich konnte nicht einmal einen klaren Gedanken fassen. "Ehm.. nicht das ich wüsste.. haben wir uns schonmal gesehen..?", fragte ich nach. Ich verstand überhaupt nichts mehr.

Als sie mich das fragte, zögerte ich einen Moment. Sollte ich ihr die Wahrheit sagen ? Was würde sie bloss denken ? Würde sie Angst haben ? Das war meine größte Sorge. Doch jetzt war ich schon zu weit gegangen, um einen Rückzieher zu machen. "Melinda... Versuch dich zu erinnern. 4. Februar 2003. Du warst 8 Jahre alt. Du hast genau dieses Kleid getragen.", ich deutete auf das Bild von vorhin. "Und einen Zopf. Als du über die Straße gehen wolltest, bist du gestollpert und hingefallen. Dabei hast du dich so sehr verletzt, dass du nicht mehr aufstehen konntest. Dann kam ein Auto... Und...", stockte ich und schlugte einmal. "Du konntest nicht weg...", fuhr ich fort. "Du hast um Hilfe gerschrien, doch niemand hat dir geholfen..."

Was meinte er? 4. Februar 2003.. das war schon 10 Jahre her.. Ich versuchte mich zu erinnern. Aber wie konnte ich? Ich war damals noch ein kleines Mädchen gewesen. Leicht kniff ich die Augen zusammen und sah ihn einfach nur an. Langsam kam die Erinnerung zurück. Das Kleid hatte ich an dem Tag erst bekommen und wollte es unbedingt gleich anziehen. Meine Eltern meinten noch, dass es für draußen zum Spielen eigentlich zu Schade wäre, hielte mich aber nicht weiter davon ab. Ich war rausgelaufen und wollte zu unseren Nachbarn rüberlaufen, die auf der anderen Straßenseite wohnten. Und danach.. danach verblasste die Erinnerung langsam. "Ja.. das ich gestolpert bin weiß ich noch.. aber dann.. irgendjemand hatte mich beiseite geschubst..", sagte ich leicht abwesend und versuchte zu verstehen worauf er hinaus wollte. "Mein Dad hatte mir später erzählt das der Junge, der mir geholfen hatte dabei ums Leben gekommen war..", erklärte ich und erstarrte dann leicht als ich ihn erkannte. "Das warst du..."

Sie erinnerte sich also doch. Wow was sie wohl jetzt gerade dachte. Langsam nickte ich. "Ja.. Ich war gerade auf den Weg zur Schule und habe dich dort liegen gesehen. So schnell ich konnte, habe ich dich zur Seite geschubst...", murmelte ich. "Ich ... Kann es nicht glauben, dass ich dich endlich gefunden habe. Lange habe ich nach dir gesucht und mich immer gefragt, was wohl aus dir geworden ist...", gab ich ehrlich zu und streichelte sanft ihre Wangen mit meinen Daumen. Sie wusste also, dass ich bei dieser Aktion um Leben gekommen war ? Hoffentlich würde sie nicht weiter nachbohren. Ich wusste nicht, wie ich ihr das erklären sollte. Wenn ich sie gewesen wäre, dann hätte ich mir ja selbst nicht geglaubt und mich für verrückt oder geistesgestört gehalten.

Es dauerte eine Weile, bevor ich überhaupt realisierte was hier gerade ablief. Ungläubig sah ich ihn an. Das war 10 Jahre her.. er sah immernoch genauso aus wie damals. Ich verstand nichts mehr. "Wieso hast du mich gesucht..?", fragte ich dann verwirrt. Warum.. schließlich war ich dafür verantwortlich, dass er ums Leben gekommen ist.., dachte ich und erstarrte dann. Wie kann das sein.. "A..aber du stehst doch direkt vor mir.. mir wurde gesagt, dass du dabei gestorben bist.. aber.." Ich schüttelte leicht den Kopf. Drehte ich gerade völlig durch?

"Ich habe dich gesucht, weil ich wissen wollte, was aus dir geworden ist und ob es dir gut geht.",erklärte ich ihr. "Wenn.. Du wirklich eine Antwort darauf willst... Dann musst du mir versprechen, mir zu vertrauen okay ?", bat ich sie. "Also...", fing ich an. "Bitte dreh jetzt nicht durch... Aber... Ja... Es stimmt... Ich bin dabei ums Leben gekommen. Nur... ", ich seufzte. "Melinda... glaubst du an Leben nach dem Tod ?", fragte ich sie. "Ich habe das damals nicht. Doch.. Da.. Ich dir das Leben gerettet habe und mich so für dich geopfert hatte, konnte... Ich.... Nun ja... Meine Seele erlösen...Ich weiß das klingt alles total verrückt. Aber... Ich erzähle dir wirklich die Wahrheit... Ich bin kein Mensch Melinda.... Ich bin ... Ein Engel."

"Verstehe.. müsstest du mich nicht eigentlich verachten..?", fragte ich ihn leise ohne ihn anzusehen. "Du bist wegen mir gestorben.. weil ich nicht aufgepasst habe..", sagte ich und seufzte leicht, bevor ich dann wieder zu ihm auf sah und gespannt seiner Erklärung lauschte. Ein Leben nach dem Tod..? Erlösung? Was? Ich sah ihn fragend an. "Wovon redest du..?", wollte ich wissen. Bei seiner Antwort jedoch legte ich reflexartig die Hand auf den Mund. "E..Ein Engel..? So etwas gibt es wirklich..?" Sollte ich ihm glauben? Warum sollte er mich anlügen.. Vielleicht stimmte es ja.. auch wenn es schwer vorstellbar war.

"Nein ich verachte dich nicht ! Ich bin die dankbar ! Jetzt habe ich dich auch endlich gefunden ! Das heißt, dass ich endlich meine Bestimmung gefunden habe. Denn das war meine Aufgabe, um dein Schutzengel zu werden. Durch diese Erlebnis sind wir verbunden." Natürlich verwirrte sie das jetzt alles. "Ja Melinda ! Engel existieren." Ich konnte mehr ein breites Lächeln nicht verkneifen und streichelte sanft ihre Wange. Vorsichtig küsste ich ihre Stirn. "Ich verspreche dir, ich werde immer auf dich aufpassen Melinda." Langsam nahm ich meine Kette ab und machte sie um ihren Hals. "Das ist meine Kette. Jeder Schutzengel gibt sie seinen Schützling oder einer besonderen Person. Damit sie verbunden sind. Durch diese Kette kannst du immer Kontakt mit mir aufnehmen. Selbst wenn ich weit weg bin.", Flüsterte ich.

Er war mir dankbar? Wie konnte das sein? Wegen mir war er gestorben.. weil ich nicht hören konnte.. weil ich nicht aufgepasst hatte und hingefallen war. Ich merkte wie mir langsam die Tränen in die Augen stiegen, während ich ihn einfach nur ansah. Ich verstand überhaupt nichts mehr.. "Wie kann das sein..", fragte ich leise immernoch fassungslos über das was er mir gerade erzählt hatte. Schutzengel? Seine Aufgabe? Kurz schloss ich die Augen, als er mich auf die Stirn küsste und versuchte nicht loszuheulen. Ich sah dann auf die Kette, die er mir ummachte. "Aber wieso? Wieso bist du ausgerechnet mein Schutzengel..? Nur weil du wegen mir gestorben bist..?", fragte ich ihn. Gab es nicht viel mehr Leute die Schutz mehr brauchten als ich? Das alles war ein wenig zu viel. Ich ließ mich in den Stuhl sinken und versuchte gegen die aufkommenden Kopfschmerzen anzukämpfen.

Sie schien ja völlig fertig zu sein. Also ging ich langsam auf sie zu, nahm ihr Gesicht in meine Hände und sah ihr kurz tief in die Augen, bevor ich ihre Lippen sanft küsste. "Weil ich es möchte Melinda..", hauchte ich sanft. "Das letzte was ich gesehen habe, waren deine Augen. Deine wunderschönen Augen und ich habe mir geschworen, egal was es kostet, auf dich aufzupassen. Sicher verwirrt dich das jetzt alles. Doch irgendwann wirst du es verstehen. Du bist jetzt ein Teil von mir und ich von dir.", vorsichtig gab ich ihr noch einen Kuss auf die Stirn. "Ich werde dich zu nichts zwingen und wenn du nicht willst, dann musst du mich auch nicht sehen oder bemerken. Trotzdem werde ich über dich wachen und aufpassen. Du musst mir vertrauen...", murmelte ich und streichelte sanft ihre Wange mit meinen Daumen. "Das alles ist jetzt eigenartig für dich sein..."